Lennart Ganninger



Virtuelle Ausstellungen

Virtuelle Ausstellungen bieten neue Möglichkeiten Kunst und Historisches breiteren Massen zugänglich zu machen. Kleines Budget, körperliche Einschränkungen oder große Entfernungen sind hier irrelevant. Weltkonzerne investieren in Virtuelle Realitäten. Gedenkstätten stellen ihre Exponate frei im Internet zur Verfügung. Doch kann das Virtuelle dieselben Emotionen und Eindrücke wie das reale Erleben vermitteln?

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Yad Vashem View“ von Godot13 ist lizenziert unter CC BY 4.0

Wer sich im Internet bewegt, wird unwissentlich auf Virtuelle Kunst treffen. Ob Fotografien auf Instagram, Lyrik in einem Forum oder Musik auf einer Streaming-Plattform. Die Aufbereitung ganzer Ausstellungen variiert dabei stark: Fotografien von Gemälden, 3D-Modelle von Skulpturen oder 360° Rundgänge mit einer Virtuell-Reality-Brille (VR-Brille). 

Diese Brillen werden auch durch Global Player gefördert. Der CEO des amerikanischen Technologieunternehmens „Meta“, Mark Zuckerberg, sagte 2019 in einem Interview: „Ich denke, Virtual Reality wird größer, als die Leute glauben.“ Insgesamt fördert der Konzern seine virtuelle Vision mit über 15 Milliarden US-Dollar. Im Juni 2023 kündigte auch Apple eine Brille zur Verschmelzung der realen und virtuellen Welt an. Mit Investitionen solch prominenter Namen der Technologie-Industrie wird Virtual Reality eine breitere Masse erreichen.

Ein Anbieter für Sammlungen von Rundgängen ist „museum-virtuell.com“. Hier findet sich beispielsweise das „Museum Hameln“. Mit einer 360° Kamera wurden viele Einzelbilder aufgenommen. Der Besucher klickt auf seinem Bildschirm zur Fortbewegung auf eine Position im Raum. Diese werden durch kleine Kreise auf dem Boden dargestellt. So ist das gesamte Museum einsehbar. Eine solche Kamera kostet in der Anschaffung wenige Hundert Euro. Die Schwierigkeit besteht somit nicht in den Fotos. Um sie in einen Rundgang zu integrieren, benötigt es externe Anbieter. Im Falle des „Museum Hameln“ heißt dieser „Matterport“. Sie bieten verschiedene Pläne zur Digitalisierung an. Dabei erstrecken sich ihre Angebote von 9.99€ im Monat, bis zu 153€ im Monat.

Die Implementierung solcher Systeme kostet Einrichtungen zusätzliches Geld. Gleichzeitig können Ausstellungen auf das Digitale reduziert werden. Somit werden Miet-, Heiz und Unterhaltskosten gesenkt. Ansonsten in Archiven verschlossene Kunstwerke können jeder Zeit betrachtet werden. Auch werden die virtualisierten Objekte vor äußeren Einflüssen wie UV-Strahlung geschützt.

Virtuelle Ausstellungen ermöglichen es mehr Menschen Kunst zu erleben. Körperliche Einschränkungen können dabei individuell umgangen werden. In Deutschland gelten etwa 4 Millionen Menschen als Farbenblind. Mit Hilfe von Einstellungen an ihren Computern können sie Farben nach ihren Bedürfnissen anpassen. Somit kann Kunst in größerem Ausmaß erlebt werden. Vor allem alte Museen sind häufig nicht barrierefrei. Hier helfen virtuelle Ausstellungen Menschen mit körperlichen Einschränkungen Zugang zu ermöglichen. 

Doch nicht nur den Besuchern gibt Virtuelle Kunst neue Möglichkeiten: Alfredo Salazar-Caro ist Mitbegründer des „Digital Museum of Digital Art“ – kurz „DiMoDA“. In einem Interview mit dem Magazin „Vice“ sagte er: „Museen sind Institutionen des 19. Jahrhunderts. Es ist Zeit, sie ins Informationszeitalter zu holen.“ Und das war 2017. Er geht auch darauf ein, dass es sich nicht alle leisten könnten, „ihre Trauminstallationen umzusetzen […]“. Das ist bereits bei Gemälden zu sehen. Ein Aquarell Farbenset mit fünf Farben der Firma „Schmincke“ kostet etwa 50€. Gute Malerei-Programme, wie etwa „Procreate“ kosten einen Bruchteil dessen. Dennoch sind nach oben keine Grenzen gesetzt: Ein neues Zeichen-Tablet, ein besserer Bildschirm, neue Programme. Die Simplizität mit vorhandenen digitalen Werkzeugen Kunst zu erschaffen ist trotzdem sehr einsteigerfreundlich.

Die bedeutendste Gedenkstätte des Holocausts, Yad Vashem, bietet auf ihrer Website über 30 verschiedene Online-Ausstellungen an. Meistens Fotos mit Erklärungen zu Gegenständen. Eine trägt den Namen: „Sechzehn Objekte. Eine Ausstellung zu 70 Jahren Yad Vashem“. Diese zeigt Alltagsgegenstände, die repräsentativ für die heutigen Bundesländer Deutschlands stehen. Jedes Objekt erzählt die Geschichte einer Person oder Familie, die unter dem Holocaust litt. Über die Website kann jeder diese Exponate kostenfrei erleben. Somit bekommen mehr Menschen die Möglichkeit, sich unabhängig von Budget und körperlichen Einschränkungen zu Informieren. 

Die Gedenkstätte ist nicht nur aufgrund der Sammlungen etwas Besonders: Das 45 Hektar große Gelände beherbergt über 25 separate Ausstellungen. Als Herzstück: Das Museum zur Geschichte des Holocaust. Mit seinen 180 Metern stößt es wie ein Speer durch den Bergkamm des Geländes. Die Oberkante liegt dabei stets über dem Berg und lässt durch Fenster natürliches Licht herein. Es wirkt wie ein Zeichen der Hoffnung.  Die schmale Bauweise unterstützt die chronologische Anordnung der Exponate. Die bedrückende Atmosphäre – geschuldet der Grausamkeit des Holocaust – gipfelt in der „Halle der Namen“. In diesem Raum werden Gedenkblätter für Millionen von Holocaustopfern gesammelt. Nach etwa vier Stunden verlässt man das Museum auf die Panoramaterrasse. Mit einem überwältigenden Blick über Jerusalem bekommt man die Möglichkeit durchzuatmen und das gesehene zu verarbeiten. Diese Eindrücke können mit heutiger Technik noch nicht reproduziert werden.

Die größte Stärke von Virtuellen Ausstellungen ist die Barrierefreiheit: Menschen mit körperlichen Einschränkungen erhalten Zugriff auf mehr Angebote, entfernte Museen können jederzeit online abgerufen und Angebote kostenlos wahrgenommen werden. Große Firmen bringen die Virtuelle Welt weiter voran und investieren Milliarden. So entstehen stetig neue Möglichkeiten Kunst und Historisches zu digitalisieren. Selbst komplizierte Ausstellungen wie 360° Rundgänge sind mit Hilfe externer Unternehmen einfach zu implementieren. Für Künstler bieten sich neue Möglichkeiten komplexere Werke am Computer zu erstellen – ohne große Kosten. Die Wirkung einer Ausstellung kann heute noch nicht ersetzt werden. Das Gefühl und die Emotionen, die durch Räumlichkeiten erzeugt werden, übertragen sich noch nicht auf die Virtuelle Welt.


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